Die Sage meldet, dass im Winter von 1883 auf 84 in einer heimeligen Stube in Beringen etliche Männer in eifrigem Gespräch beisammen sassen. Recht wohl war ihnen zu Mute, so hochgradig wohl, dass sie es für nötig fanden, sich ein Sorgenkind zu schaffen; da ward die Erstellung eines Turmes auf dem Beringer Randen beschlossen. Man muss es jenen Männern lassen: wenn es ein Sorgenkind sein sollte, so hätten sie keine bessere Wahl treffen können; denn so bald sollten sie es nicht wieder losbekommen; heute noch ist es pflegebedürftig wie am ersten Tag.

Um aufrichtig zu sein, muss man nun allerdings gestehen, dass jener Beschluss eigentlich denn doch nicht - wie es nach dem Vorstehenden scheinen möchte - das Kind eines mutwilligen Augenblicks war; genau besehen, stellt er sich vielmehr als das gereifte Produkt längerer Erwägungen dar. In der Tat hatte schon Monate vorher die Idee der Errichtung eines Turms die Gemüter jener Männer beschäftigt. Keine Akten berichten zwar darüber; man lebte damals in der schönen Zeit, wo noch nicht für alle Handlungen der Menschen das strenge «schriftliche Verfahren» Vorschrift war, in einer Zeit, da man mit freiem, ungezwungenem Gedankenaustausch mehr erreichte, als heute mit hoch- offiziellen Versammlungen und ihren formgerecht protokollierten Resolutionen.

Der Entschluss zum Handeln war also gefasst, und zu dessen Ausführung schritt man unverzüglich. Da es sich um ein öffentliches Werk handelte, und man in der Folge u. a. rechtsgültige Verträge abzuschliessen und auch mit der hohen Obrigkeit zu verkehren hatte, ging es nicht anders, als dass man einen bescheidenen offiziellen Apparat in Bewegung setzte. So tat man sich zu einem "Garantenkomitee für den Beringer Randenturm" zusammen. Ideal gesinnte Männer waren es, die diesem Aktionskomitee angehörten. Oder zeugt es nicht von idealem Streben, wenn sie ihren Landsleuten Gelegenheit schaffen wollten, die Schönheiten der Nähe und der Ferne von erhabenem Standpunkt aus zu geniessen? Und dann darf man wohl annehmen, dass Männer, die gern auf sonnige Höhen steigen, um den Blick aus der Enge des Tales zu erheben und in die Weite zu richten, dass solche Männer auch ihr geistiges Auge nicht in Kleinlichkeit und Engherzigkeit gefangen halten, sondern es lieben, auf hohe Warte zu steigen, um von da aus die Dinge, die um sie geschehen, zu besehen und zu beurteilen. Möchte der Turm in dieser Hinsicht stets allen, die ihn besteigen, ein Symbol und eine Mahnung sein!

In wessen Kopf der Gedanke an den Bau eines Turmes zuerst aufstieg, wer vermöchte es zu sagen? Prioritätsfragen sind meist heikel zu behandeln und oft gar nicht zu entscheiden. So sind wir auch nicht in der Lage, einen Einzelnen als Gründer des Randenturms zu bezeichnen; es sind ihrer vier, die als eifrigste Förderer ehrend genannt zu werden verdienen, die Herren

  • Heinrich Bolli zum Frohsinn
  • Matthias Hauser, Pedell in Schaffhausen
  • Heinrich Schärrer, Reallehrer
  • Rubo Tanner, Gerichtsschreiber.

Zu diesem Quartett gesellten sich weitere Freunde der Sache, so dass bald ein Orchester von 17 Mann beisammen war; ausser den genannten gehörten ihm noch folgende Herren an:

  • J. G. Bechtel, Gemeinderat
  • H. Bolli, Zimmermeister
  • G. Gumb zum Gemeindehaus
  • M. Isele, Müller
  • J. Meyer zum Adler
  • A. Roost zum Haumesser
  • J. Sigg, Oberlehrer
  • A. Schneider, Forstverwalter
  • H. Schneider, Bäcker
  • H. Schwyn, Bäcker
  • H. Schwyn, Friedensrichter
  • H. Tanner, Gemeindepfleger
  • C. Walter, Reallehrer.

Und das Orchester begann zu spielen, und es spielte mit solch hinreissender Gewalt und dann wieder mit so rührender Innigkeit, dass sich ihm alle Herzen öffneten und - alle Hände. Und beides war nötig: denn zur Bewältigung seiner Arbeit bedurfte das Komitee sowohl der moralischen, als auch der finanziellen Unterstützung weitester Kreise.

Die schwierigste Frage, die sich dem Garanten-Komitee stellte, war die Frage der Finanzierung des Unternehmens. Man löste sie, wie man's bei der Schaffung gemeinnütziger Werke heute noch zu machen pflegt: man nahm eine lange Liste und einen grossen Sack und wanderte damit von Haus zu Haus, von unten im Dorf bis oben hinaus. Und die Summen, die auf diese Weise zusammenflossen, zeugen von der grossen Opferwilligkeit der damaligen Dorfbevölkerung. Zur Ehre der Initianten muss aber auch gesagt werden, dass sie nicht von einseitigem Nationalstolz erfüllt waren, dass sie nicht etwa meinten, es müsste die hinterste Schraube am Turm aus Beringer Batzen geschmiedet sein; durchaus nicht; man verachtete auch fremde Münzen nicht. In Schaffhausen waren mehrere Sammelstellen im Betrieb, und von einem der Hauptförderer in Beringen wird berichtet, er habe in jener Zeit nie einen Handel mit einem auswärtigen Kollegen abgeschlossen, ohne im Voraus für den Turm einige Prozente gesichert zu haben.

Im Frühling 1884 war ein Grundstock beisammen, der es ermöglichte, Hand ans Werk zu legen. Herr Kantonsbaumeister Bahnmater übernahm in zuvorkommender Weise die Ausarbeitung der Pläne. Wir wollen nicht unterlassen, an dieser Stelle mit Dank und Anerkennung darauf hinzuweisen, dass Herr Bahnmaier seither den Turm nie aus dem Auge liess, dass er in allen technischen Fragen der Gesellschaft und ihrem Vorstande immer gern mit seinem fachmännischen Rat zur Seite stand.

Das Eisengerüst erstellte die Maschinenfabrik Rauschenbach, die Treppen und Böden Herr Zimmermeister Bolli in Beringen. Im Herbst 1884 war der Bau vollendet, und am 17. Mai 1885 wurde das wohlgelungene Werk im Beisein der Vereine und der Schuljugend des Dorfes und einer grossen Volksmenge eingeweiht.

Für Leser, die Zahlen lieben, mag noch beigefügt werden, dass der ganze Bau auf Fr. 2750.-- zu stehen kam. Naturgemäss verschlang den grössten Teil dieser Summe, nämlich Fr. 2280.--, das Eisengerippe. Treppen und Böden kosteten nur Fr. 350.--. In unserm Zeitalter der hochgeschraubten Preise klingen diese Zahlen fast unglaublich. Heute haben wir mit ganz anderen Summen zu rechnen; betrugen doch z.B. die Ausgaben für die Renovationen im Jahre 1909 - neue Böden und Treppen auf die beiden oberen Stockwerke - nicht weniger als Fr. 950.--. 

 

Gründung der heute bestehenden "Gesellschaft zum Unterhalt des Beringer Randenturms".

Am 28. Februar 1886 löste sich das Garantenkomitee auf, da es seine Aufgabe, die Erstellung des Turmes, vollendet sah. In der gleichen Stunde wurde aber eine neue Gesellschaft mit neuem Namen und neuen Zielen ins Leben gerufen: die heute bestehende "Gesellschaft zum Unterhalt des Beringer Randenturms und der dazu gehörenden Anlagen". Die Mitgliederlisten sagen uns, dass mit wenigen Ausnahmen die gleichen Männer, deren Initiative der Turm sein Dasein verdankt, der neuen Gesellschaft beitraten. Die Auflösung und Neu-Konstituierung war also lediglich ein formeller Akt; die "Firma" änderte Namen und Zweck; in ihren Teilhabern aber blieb sie sich gleich.

Die neue Gesellschaft übernahm Aktiven und Passiven des Garantenkomitees; die letzteren waren schon damals grösser, und dieser Zustand blieb durch all die Jahre hindurch als erbliche Belastung.

Zum Zweck setzte sich die Gesellschaft, das teuer erworbene Kleinod auf dem Randen zu hüten und zu wahren, zu wahren als ein Werk, das, von der Allgemeinheit geschaffen, für alle Zeiten der Allgemeinheit erhalten bleiben soll, es zu schützen vor Verfall und es immer mehr zu einer traulichen Stätte zu machen, die man in freien Stunden gerne aufsucht.

 

Auszug aus der "Festschrift der Gesellschaft zum Unterhalt des Beringer Randenturms zum 25-Jährigen Jubiläum 1886 - 1911", verfasst vom damaligen Aktuar Ernst Schwyn.

  • Waldschule, 1920

    Waldschule, 1920

    Die Schulklasse von Emil Walter in der Waldschule vor der Wirtschaftshütte im Jahr 1920.
  • Schulklasse beim Mittagessen vor der Wirtschaftshütte, 1920

    Wirtschaftshütte, 1924

    Schulklasse von Otto Jaag beim Mittagessen vor der Wirtschaftshütte im Jahr 1924.
  • Das Restaurant, 1999

    Das Restaurant, 1999

    Aufnahme des Restaurants mit dem damaligen Wirt Eugen Härtenstein.